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Industrie 4.0 vs.
Lean Management?

Mit der Digitalisierung der industriellen Produktion verbindet heute manch ein Unternehmen die automatische Lösung seiner Probleme, so als wäre es eine Art magische Formel. Wer digitalisiert, stellt sich für die Zukunft besser auf und profitiert von effizienten Abläufen, die sofort einen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb bedeuten, heißt es. Dass die Realität anders aussieht und es keinen Grund gibt, die Optimierung analoger Prozesse vor der Digitalisierung zu vernachlässigen, ist Thema dieses Artikels.

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Digitalisierungswahn überdenken

„Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess“, sagte Thorsten Dirks, zu seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Telefónica Deutschland AG bei einem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. 

Manche regt das Zitat zum Nachdenken an, andere finden die Aussage womöglich humorvoll oder provokant. Eines ist jedoch sicher, das Zitat von Dirks verrät viel über die falschen Erwartungen, die Verantwortliche in der Industrie haben, wenn es um die Industrie 4.0 geht. 

Was Dirks ausdrücken möchte ist, dass die bloße digitale Umsetzung von bestehenden Prozessen keine ideale Lösung darstellt. Es ist nämlich auch möglich, schlechte Prozesse zu digitalisieren und somit aus der analogen in die digitale Welt zu ziehen. Denn Digitalisierung bedeutet nicht, dass Prozesse automatisch besser werden. Das ist eine große Gefahr für Unternehmen, die dieses Problem noch nicht erkannt haben. Die Digitalisierung von Prozessen soll helfen, sie darf aber niemals im Vordergrund stehen. Im Gegenteil, sie sollte der letzte Schritt nach dem analogen überprüfen, vereinfachen und überarbeiten sein.

Auf dem ersten Blick scheinen Digitalisierung und Lean Management Konzepte zu sein, die miteinander konkurrieren. Diejenigen, die ausschließlich auf die Industrie 4.0 setzen, verdrängen damit das Lean Management. Doch diese Sichtweise ist in der Praxis völlig verfehlt. Ein Unternehmen wird in der Regel nicht automatisch davon profitieren, wenn es nicht effiziente oder sogar verschwenderische, analoge Prozesse in die digitale Welt spiegelt. Um diesen ersten Schritt zu machen, ist eine nach Lean ausgerichtete Organisation nach wie vor wichtig, ja unverzichtbar.


Das Beispiel ERP-Systeme

Ein Beispiel für einen weiteren Trugschluss ist die Sichtweise, die Entscheidungsträger in Unternehmen auf ERP-Systeme entwickeln, wenn sie Lean-Methoden anwenden. So wird, im Zuge der Einführung von Lean als Management-Instrument, der Einsatz von ERP-Systemen kritisch betrachtet und als Folge vernachlässigt oder sogar aus einigen Abteilungen ganz entfernt. Der Sinn eines solchen Systems liegt dabei gerade darin, alle Bereiche eines Unternehmens zu erfassen und adäquat abzubilden, um seiner Aufgabe einer ganzheitlichen Übersicht von Prozessen und ihrer Steuerung gerecht zu werden. Die Fehleinschätzung der Unvereinbarkeit führt dazu, dass Unternehmen das Potenzial einer produktiven Koexistenz ausschließen, anstatt durch eine Kombination beider Ansätze zu profitieren. 

ERP-Systeme und Lean Management sind kein Widerspruch. Auch Lean Management und Industrie 4.0 sind keine sich aushebelnde Prinzipien.

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Die Industrie 4.0

Die Industrie wandelt sich stetig, heute ist man bereits bei der Industrie 4.0 angelangt. Historisch gesehen gab es demzufolge bislang vier industrielle Revolutionen, die von tiefgreifenden und dauerhaften Umgestaltungen geprägt waren. Eine kurze Zeitreise zeigt nachfolgend die Entwicklung auf. 

Den Beginn des Industriezeitalters markierte die Industrie 1.0. Um 1800 veränderte die erstmalige maschinelle Produktion von Gütern und Dienstleistungen die Welt. Die Dampfmaschine galt hier als Motor. Bezeichnend für die Industrie 2.0, die Anfang des 19. Jahrhunderts ihren Lauf nahm, war die Einführung der Elektrizität als Antriebskraft und die daraus resultierende Fließbandarbeit. Produkte wurden nun in Teilschritten gefertigt. Besonders prägend war das Jahr 1913, in dem Henry Ford erstmals Fließbandarbeit in der Autoproduktion einführte. So konnte die Produktion wesentlich effizienter gestaltet und Autos für die breite Masse erschwinglich gemacht werden. Diese und weitere von Ford angewendete bahnbrechende Innovationen in der Automobilproduktion, bekannt als fordistische Methoden, führten dazu, dass Henry Ford gewissermaßen den Grundstein für die heutige Produktionsoptimierung und des Lean Gedankens, den Kunden im Blick zu halten, gelegt hatte. Auch die ersten Schritte der Globalisierung begannen bereits in der zweiten Phase der Industrialisierung. Autos, Rohstoffe oder Lebensmittel, Landesgrenzen stellten für den Transport kein Hindernis mehr dar. In den 1970er Jahren startete dann die dritte industrielle Revolution. Mit Computern waren Arbeitsschritte nun automatisiert und die menschliche Arbeitskraft musste vor allem in der Reihenfertigung den Maschinen weichen. 

Das Ende des 20. Jahrhunderts kennzeichnet das Zeitalter der vierten industriellen Revolution, der aktuellen Industrie 4.0. Meilenstein hier ist die Digitalisierung, weshalb auch von der digitalen Revolution gesprochen wird. Die vierte industrielle Revolution ist der auf die Produktion bezogene Vorgang der Digitalisierung. Er findet in der ganzen Industrie statt, unabhängig von der Branche. Big Data, Clouds und künstliche Intelligenz sind Schlagworte, die diese Zeit widerspiegeln. Die digitale Vernetzung hat es möglich gemacht, Maschinen aufeinander abzustimmen und damit Zeit und Ressourcen zu sparen. Die Industrie 4.0 bringt das Potenzial mit sich, eine nie dagewesene Prozessoptimierung in der Produktion umzusetzen. Eine analoge Prozessoptimierung im Hinblick auf die Kundenwünsche und -anforderungen muss aber dennoch im Vorfeld erfolgen.

Die Philosophie von Lean Management

Mit weniger Arbeit, aber ohne Qualitätsverlust produzieren? Mit Lean Management ist das möglich. Lean Management ist eine Art des Wirtschaftens, welche das Ziel der kompromisslosen Ausrichtung aller Prozesse an den Anforderungen des Kunden hinsichtlich Kosten, Qualität und Lieferperformance verfolgt. Die Kundenzufriedenheit steht im Mittelpunkt. Eine effiziente Gestaltung der Wertschöpfungskette, bei der in den Prozessen zwischen Wertschöpfungszeit und Verschwendung unterschieden wird, erreicht dies.

Es handelt sich also um einen prozessorientierten Ansatz, in dessen Rahmen die Abläufe im Betrieb genau betrachtet werden. Auf Kennzahlen basierend, werden Verschwendungen, wie sie durch Überproduktion, Wartezeiten oder Überarbeitungen entstehen, vermieden und Optimierungen vorgenommen.

Eine Methode ist zum Beispiel die Wertstromanalyse. Sie visualisiert Material- und Informationsflüsse und dient der Sichtbarmachung von wertschöpfenden und nicht-wertschöpfenden Prozessen. Weitere Methoden sind der PDCA-Zyklus, welcher der Prozessverfeinerung dient oder die 5S-Methode, die für aufgeräumte, standardisierte und gut organisierte Arbeitsbereiche sorgen soll.

Der Fortschritt der Digitalisierung und sein Einzug in die Industrie wird noch weiter zunehmen, dem kann sich kein Unternehmen entziehen. Die Chancen werden von Herausforderungen begleitet. Diesen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen, sollte in den Fokus rücken. Wie kann Lean Management hier helfen?

Warum Lean Management und Industrie 4.0 aufeinander aufbauen

Wer die zunehmende Komplexität in der Industrie erfolgreich bewältigen will, muss Lean und die vierte industrielle Revolution im Zusammenhang sehen. Beide ermöglichen Produktivitätssteigerungen, Kostensenkungen und eine Flexibilisierung der Fertigung.

Im Prinzip lassen sich alle Prozesse automatisieren, auch die schlechten Prozesse. Deshalb kann Lean als Grundlage für die vierte industrielle Revolution verstanden werden. Mit anderen Worten, eine klassische Verschlankung der Abläufe, beispielsweise mittels Lean Management, so wie sie erfolgreiche Unternehmen immer vornehmen, bleibt die Voraussetzung für Erfolg.

Wenn die Lean-Prinzipien konsequent verfolgt werden, sind bessere Prozesse, die automatisiert werden können, das Ergebnis. Geschieht dies jedoch nicht, sind unnötig hohe Kosten für die Automatisierungslösung die Folge. Ist der Automatisierungsschritt erst einmal vollzogen, besteht zudem die Gefahr, dass die Prozesse weiterhin schlecht aufeinander abgestimmt sind. Der Versuch, dies im Nachgang aufzuholen, führt zu unnötigem Aufwand.

Grundsätzlich lässt sich damit sagen, dass die Umsetzung von Digitalisierungsstrategien im Betrieb umso leichter fällt, je konsequenter dieser bereits den Lean-Ansatz lebt. Grundlage für eine effiziente Digitalisierung ist daher immer die analoge Optimierung von Prozessen und wer erst analog optimiert und dann digitalisiert, kommt am Ende schneller und günstiger davon. Einfach auf digitale Lösungen zu setzen ist nicht zielführend, entscheidend ist, ob Unternehmensabläufe im Vorfeld konsequent überprüft werden.

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