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Agile Kundenorientierung: Kundenbedürfnisse in der Krise erkennen

Erst wenn Wirtschaftskrisen mit voller Wucht Unternehmen treffen, sieht man, welche Firmen zukunftsfähig sind. So verhält es sich auch in der jetzigen Corona-Krise. War etwa in Ihrem Unternehmen zuvor klar, wie es um die Liquiditätsplanung steht oder wie gut Home-Office und digitale Führungstools funktionieren? Eine weitere Frage, die vor allem mittelständische Unternehmen sich wohl auch noch nicht gestellt haben: Wie haben sich die Kundenbedürfnisse in der Krise geändert?

Der Mittelstand legt den Fokus eher darauf, die Absatzzahlen bewährter Produkte zu steigern. Die Strategie ist gut für das alltägliche Geschäft. In Zeiten der Krise kann sie sich jedoch verheerend auswirken, wenn die Kundenorientierung verloren geht. Denn der starre Fokus auf Absatzzahlen macht die Firmen besonders anfällig in Phasen radikaler Veränderung. Gleichzeitig zeigt er, dass ihnen häufig der Unterschied zwischen Bedürfnis und Bedarf nicht bewusst ist.

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Bedarfe erkennen ist Silber, Bedürfnisse verstehen ist Gold

Viele nutzen und verstehen die Wörter Bedarf und Bedürfnis als Synonyme. Das ist falsch. Es gibt nämlich einen kleinen, aber bedeutenden Unterschied. Von einem Bedürfnis sprechen wir ab dem Moment, in dem uns ein vorhandener Mangel an etwas bewusst wird und wir gleichzeitig die Motivation haben, diesen auszugleichen. Zum Beispiel deutet ein Magenknurren uns daraufhin, dass wir Hunger haben. Es entsteht ein Bedürfnis nach Sättigung.

Bedarf ist wiederum, wenn wir diesem Bedürfnis eine konkrete Leistung oder ein Produkt zuordnen. So entstehen im Beispiel des Magenknurrens Bedarfe nach Pizza, Schnitzel oder Suppe, je nach eigener Vorliebe. In diesem Fall gibt es unzählige Bedarfsmöglichkeiten, die alle jedoch ein einziges Bedürfnis stillen.

Doch was haben die Bedarfe nach einer Pizza oder einem Schnitzel mit der Reaktion auf Marktveränderungen zu tun? Nun ganz einfach: Stellen wir uns einfach mal ein Lokal vor, das sich seit Jahren auf das Servieren von Schnitzeln spezialisiert hat. Nach jahrelangem Erfolg verlangen plötzlich immer mehr Kunden nach vegetarischen oder veganen Alternativen. Anstatt weiterhin seinen Kunden immer wieder die gleichen Schnitzel anzubieten, erkennt der Inhaber den Mangel an vegetarischen Schnitzelalternativen auf dem Markt, handelt kundenorientiert und verändert sein Menü.

Nun bietet er nicht mehr nur das traditionelle Schweineschnitzel an, sondern Schnitzel aus Soja, Kichererbsen oder Süßkartoffeln. Der Inhaber hat die Änderung der Kundenbedürfnisse erkannt: Sie wollen nicht mehr einfach nur essen, sondern dies möglichst moralisch vertretbar machen.

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung – drei Auslöser des Wandels

Doch warum und vor allem wodurch verändern sich Kundenbedürfnisse überhaupt? Hierbei lassen sich drei wesentliche Faktoren identifizieren:

  1. gesellschaftliche Entwicklungen
  2. technologische Trends
  3. Marktveränderungen

1. Gesellschaftliche Entwicklungen verstehen für richtige Kundenorientierung

Auch im B2B-Bereich dürfen die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht außer Acht gelassen werden. Sie zeugen von Veränderungen im Denken der Menschen und beeinflussen früher oder später auch die wirtschaftlichen Beziehungen und Zustände. Ein Beispiel für eine umfangreiche gesellschaftliche Entwicklung ist die Klimabewegung. In kurzer Zeit engagieren sich weltweit Millionen von Menschen für eine Verschärfung von CO2-Richtlinien und weitere ökologische Aspekte. Diese Bewegung hat sich längst auf weitere Teile der Gesellschaft übertragen und damit bereits das Konsumverhalten geprägt.

Als Folge der Klimabewegung hat sich auch die Einstellung zum Fliegen verändert. Vor einigen Jahrzehnten war es noch das Wunschreisemittel vieler Europäer und heutzutage herrscht z.B. in Schweden schon eine regelrechte Flugscham. Dies hat weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen. 

Unternehmen, die den Forderungen der Klimabewegung nicht nachkommen, sind tendenziell eher auf dem Abwärtstrend. Krisen, wie die jetzige treffen sie umso härter. Denn die Luftfahrtbranche hat sich schlichtweg nur auf die Bedarfe nach Flugreisen fokussiert, nicht jedoch auf die Bedürfnisse der Fluggäste.

2. Mit technologischen Entwicklungen Schritt halten

Einen großen technologischen Sprung haben wir zum Beispiel im vergangenen Jahr erlebt, als Elektroroller im Straßenverkehr zugelassen werden konnten. Augenblicklich füllten sich alle Großstädte in Deutschland mit Scharen von E-Rollern. Die eigentliche technologische Neuheit ist jedoch nicht der elektrische Antrieb, sondern vielmehr die Möglichkeit, sich einen Elektroroller via Smartphone flexibel ausleihen zu können.

Während die meisten E-Roller-Verleiher innerhalb kürzester Zeit die Innenstädte eroberten, blieben die E-Modelle im Fachhandel weiterhin in den Schaufenstern stehen. Denn die Verleiher haben die Änderung der Kundenbedürfnisse früh begriffen: Es ging ihnen nicht um den Besitz der Produkte, sondern um den Wunsch nach mehr Mobilität.

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3. Marktveränderungen mitgestalten und Kundenfokus bewahren

Dass Marktveränderungen das Wirtschaftsleben auf den Kopf stellen, haben wir durch die Finanzkrise 2008 gespürt und erleben wir in der Corona-Pandemie erneut. Als Folge dessen gehen Endkonsumenten, wie auch Unternehmen sparsamer mit ihrem Geld um. Sie versuchen möglichst viel einzusparen, um die Liquidität für den Krisenzeitraum zu sichern. Die Krise soll überstanden, teilweise einfach nur ausgesessen werden. Doch Unternehmen merken recht zügig, dass auch ihre Kunden so denken und Aufträge dadurch wegbrechen – schließlich hat der Kunde aktuell keinen Bedarf an den üblich bestellten Produkten.

Die meisten Unternehmen beenden ihre strategische Planung an dieser Stelle. Der Kundenabruf wird wie ein Lichtschalter interpretiert, der nur zwei Positionen hat. Entweder ist er an- oder ausgeschaltet. Diese Denkweise ist fatal. In Krisenzeiten haben Kunden natürlich weiterhin Bedarfe nach Produkten und Leistungen, nur eben in einer anderen Form. Denn ihre Bedürfnisse haben sich grundlegend verändert.

Warum agiler Kundenfokus die Zukunft ist – der Vortrag zum Artikel

Agiler Kundenfokus: Präsentation von Harkort Consulting im Rahmen des 7HoursLean Events der LeanBase.

Dem Wettbewerb einen Schritt voraus – Sternglas macht es vor

Ein erfolgreiches Beispiel, wie man agil auf sich verändernde Kundenbedürfnisse eingeht, liefert das Hamburger Start-up Sternglas. Sternglas ist eine Uhrenmarke und hat Einzug in die Branche gefunden, die nur selten Neuankömmlinge duldet. 

Juweliere und der Uhrenfachhandel betreiben zumeist ihr Geschäft in den deutschen Innenstädten. Es handelt sich meistens um kleine Betriebe mit drei bis zehn Mitarbeitern. Die Firmen leben stark von der Laufkundschaft oder Bestandskunden, welche durch den Lockdown in der Corona-Krise vollständig ausblieben. Der Vertrieb übers Internet ist in dieser Branche nur wenig geläufig. So trifft die Krise den Fachhandel mit voller Wucht, da die Umsätze teils komplett wegbrechen. Das Hamburger Start-up hat, im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen, in dem Marktumbruch aber eine große Chance gesehen.

Der Einbruch der Umsätze durch den Lockdown hat sich auch bei Sternglas bemerkbar gemacht. Das Unternehmen konnte jedoch aus der kritischen Lage eine Win-win-Situation auch für den Fachhandel schaffen. Anstatt den Vertrieb zu stärken, hat Sternglas vielmehr verstanden, dass nicht das Bedürfnis nach Uhren sich verändert hat, sondern das Bedürfnis nach einer digitalen Einkaufsmöglichkeit.

Sternglas hat deshalb nach einem Weg gesucht, dem Fachhandel den Zugang zu ihren Kunden zu ermöglichen, damit diese ihre Bedarfe weiterhin decken können. Dies gelang, indem das Team des Start-ups ihre Kompetenzen rund um den Aufbau und Betrieb von Online-Shops als preiswerte Dienstleistung für die Fachhändler anbot. Somit konnten diese innerhalb von 24 Stunden Shops eröffnen und so ihr gesamtes Sortiment weiterhin vertreiben. Somit haben diese Geschäfte doch den Schritt ins digitale Zeitalter gewagt und Sternglas hat es geschafft, trotz Corona keine Kurzarbeit anmelden zu müssen. Ein großer Erfolg, welcher nur durch die enge Bindung und das Verständnis für den Fachhandel gelang.

Der Vier-Punkte-Plan, um Kundenbedürfnisse frühzeitig zu identifizieren

Doch wie erkennt man die Kundenbedürfnisse frühzeitig und geht auf diese ein? Eine Möglichkeit bieten die Tools des sogenannten Vier-Punkte-Plans:

  1. Integration des Kunden
  2. Studien mit Schlüsselkunden
  3. Beobachten der Trends
  4. Kreativmethoden

1. Integration des Kunden

Die Beziehung zum Kunden basiert in vielen Unternehmen nur auf der Abwicklung der Bestellung. Doch in jeder Kunden-Lieferanten-Beziehung liegt ein Schatz versteckt. Dies muss nur erkannt und der Schatz geborgen werden.

Als erstes müssen Sie sich Ihrer Kundenstruktur bewusst sein. Hierbei helfen Tools zur Kundenanalyse, wie zum Beispiel die ABC-Analyse. Die wesentliche Frage ist zunächst: Welche Kundensegmente sind die wichtigsten? Mit welchen dieser Kunden habe ich ein vertrauensvolles Verhältnis?

Anschließend können Erkenntnisse u.a. durch Interviews gewonnen werden, wodurch artikulierbare Bedürfnisse gewonnen werden. Bewährt hat sich auch die Integration des Kunden durch iteratives Feedback bei der Produktentwicklung und im Marketing. Hierdurch können auch die Kollegen einen Einblick in das Denken und in die Kundenbedürfnisse gewinnen, um diese besser zu berücksichtigen.
Voraussetzung in diesem Schritt ist neben dem Vertrauen des Kunden natürlich auch die Offenheit und Ehrlichkeit für diese Themen.

2. Studien mit Schlüsselkunden

Im zweiten Schritt geht es nicht mehr um die artikulierbaren Bedürfnisse der Kunden. Es wird vielmehr versucht, bisher unbekannte Bedürfnisse auszumachen. Dies gelingt durch den Einsatz von qualitativen Methoden, wie spezifischen Fragebögen und systemischer Gesprächsführung. Die verdeckten Bedürfnisse werden so im Kontext des sozialen Systems, sowie des Geschäftsmodells herausgearbeitet.

Wenn Vertrauen und Offenheit im ersten Schritt die Voraussetzungen für qualitativen Ertrag sind, ist hier der Zeitfaktor von Relevanz. Entweder braucht es für diese Art von Studien ein sehr großes Vertrauen gegenüber dem Unternehmen, damit der Kunde sich auch die Zeit nimmt, oder aber der zukünftige Mehrwert ist ihm deutlich kommuniziert worden.
Dies ist zugleich der letzte der vier Schritte, in dem direkt mit dem bekannten Kunden zusammengearbeitet wird. Denn nur wenn man sich von den derzeitigen Kunden löst, lassen sich Ansatzpunkte für zukünftige Bedürfnisse und die daraus entstehenden Bedarfe finden.

Trends sind wichtig und dürfen nicht sofort als bloße Modeerscheinungen abgetan werden. Durch Trendbeobachtung werden erste Anzeichen für neue Entwicklungen deutlich. Dies kann sowohl eine Branche, einen Industriezweig, wie auch ein Produktsegment betreffen. Wer Trends frühzeitig erkennt, kann am Punkt der steigenden Nachfrage direkt ein zufriedenstellendes Angebot präsentieren oder die Nachfrage sogar ankurbeln und so neue Bedarfe für den Kunden schaffen.

Da dieser dritte Schritt von bisherigen Kunden entkoppelt stattfindet, sind weitere Analysekompetenzen notwendig. Mittlerweile gibt es zahlreiche Möglichkeiten insbesondere durch Methoden des Online-Marketings, erste Trendindikatoren ausfindig zu machen.

4. Kreativmethoden

Im vierten Schritt geht es um die langfristige Vorausschau der Kundenbedürfnisse. Dies kann durch Kreativmethoden wie Szenariotechniken und Design Thinking erreicht werden. Beide Methoden haben gemein, dass durch Szenarien und Annahmen auf Grundlage von Erfahrungswerten mögliche zukünftige Entwicklungen fiktiv skizziert werden.

Aufgrund der langfristigen Betrachtung der Kundenorientierung sind die Ergebnisse relativ vage. Wichtiger als konkrete Ergebnisse für Kundenbedürfnisse zu erzielen, ist bei diesem Schritt jedoch, mögliche Szenarien durchzuspielen, um ein Gespür für zukünftige Entwicklungen zu bekommen. Denn dieses Gespür kann bei der Beurteilung von Trendanalysen Gold wert sein.

Was muss ich als Unternehmer tun, um Kundenorientierung beizubehalten?

Auch wenn hier vier Schritte dargestellt wurden, bedeutet dies nicht, dass auch jedes Unternehmen alle Schritte umsetzen muss, um die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und vorauszusehen. Vielmehr handelt es sich um eine Art All-Inclusive-Buffet. Für welche Speisen vom Buffet sich Unternehmen entscheiden, hängt natürlich von der jeweiligen Firma, der Branche und den Herausforderungen ab.

So ist es für größere Unternehmen, die langfristig planen müssen und konsumentennahe Güter produzieren, durchaus sinnvoll, alle vier Schritte abzubilden und vorausschauend zu agieren. Für kleinere Unternehmen, die in der Lieferkette weiter vom Endkonsumenten entfernt sind, sind dann eher die ersten beiden Schritte von größerer Relevanz.

Wichtig für alle Unternehmen ist es jedoch, ein gesundes Verständnis für Kundenbedürfnisse zu entwickeln, sowie sich auf Chancen, die in jeder Veränderung stecken, zu fokussieren. Schließlich ist Hoffnung allein auch keine Strategie.

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